Man hat für so etwas eine Leidenschaft zu entwickeln, wenn Sachen von Interesse sind, die in der Zeit von 1100 bis 800 vor unserer Zeitrechnung den damals lebenden Menschen am linken Niederrhein zu zurechnen sind. Krefelder Archäologen gehören dazu. Sie machten jetzt Funde aus der Spätbronzezeit – so nennt man den erwähnten Zeitraum – bekannt. Sie ermöglichen einen Blick 3000 Jahre zurück.
Weil so etwas im Stadtgebiet selten gefunden wird war die Freude bei Dr. Hans-Peter Schletter angesichts der Entdeckung von mehreren Hügelgräbern auf dem Areal der neuen Feuerwache in Gellep-Stratum riesig. „Das ist absolut außergewöhnlich“, wird der Krefelder Stadtarchäologe zitiert.. Nun kehrten Schletter, der Grabungstechniker Dominik Sarna und der 74jährige ehemalige Leiter des Museums Burg Linn, Dr. Christoph Reichmann, an die Düsseldorfer Straße zurück. Dort galt es einen kleinen, bislang archäologisch noch nicht untersuchten Bereich auszugraben – und wieder wurde das Team fündig. „Wir haben vier weitere Gräber entdeckt. Es handelt sich insgesamt wohl um ein reines Gräberfeld aus der Spätbronzezeit. Das ist ganz, ganz selten am Niederrhein“, so der Krefelder Stadtarchäologe.
Die neuen Funde sind inzwischen geborgen. Die Urnen zieren ein Kerbschnitt-Muster. „Diese Verzierung als solche ist schon sehr selten“, sagt Schletter. Das Zick-Zack-Muster wurde mit einer weißen Paste aus zermahlenem Kalk- oder Knochen ausgefüllt. So entstand ein Schwarz-Weiß-Kontrast auf dem oberen Urnenrand. „Für unsere Region und diese Zeit waren es schon reich ausgestattete Gräber, auch mit Beigefäßen“, meint Schletter.

In der Werkstatt des Archäologischen Museums Krefeld setzt Restauratorin Eileen Wolff eines der neuen Fundstücke zusammen, das In Scherben zersprungen, war. So haben Schletter und Wolff eine der kürzlich entdeckten Urnen sicherheitshalber im Erdblock geborgen. „Der aktuelle Fundort war überbaut, unter anderem mit einer Hofanlage“, berichtet der Stadtarchäologe. Die Urnenreste kamen nur knapp einen Meter unter der Oberfläche zum Vorschein. Durch andere Bauaktivitäten in diesem Bereich in den vergangenen Jahrzehnten seien wohl einige Gräber verlorenen gegangen.
Die Menschen lebten und arbeiteten zu jener Zeit in sogenannten Wander-Siedlungen. Das heißt, eine kleine Anzahl von Hofhäusern „wanderte“ von Generation zu Generation und als Gemeinschaft von einer Stelle zur nächsten. Die lokale Identität erwuchs wohl aus der Kontinuität der Gräber an einem Ort. „In den Grabhügeln wohnen die Toten“, so der Archäologe. Die Gräber in Krefeld-Stratum reihen sich in die Niederrheinische Grabhügelkultur (1200 bis 800 vor Christus) ein. Die Beisetzung des Leichenbrandes erfolgte in Urnen mittig in einem Hügelgrab. Links und rechts des Niederrheins gab es Tausende solcher Grabhügel. Im Flachland – oft an Wegen angelegt – waren diese kleinen Erhebungen als Landmarken gut erkennbar. Und das neu entdeckte Gräberfeld aus der Spätbronzezeit liegt an solch einer alten Trasse. Denn die Düsseldorfer Straße entspricht in ihrem Verlauf nicht nur der römischen Limes-Straße, sondern wohl auch einer Wegeführung vor dieser Zeit.
Über die Funde in Krefeld-Stratum wird Schletter bei der Tagung „Archäologie im Rheinland“ in Bonn am 3. Februar einen Vortrag halten und über die bis dahin bekannten Forschungsergebnisse berichten.