Als „dat Föttchen“ Kirmes hatte

Die Kirmes auf dem Sprödentalplatz feiert vom 26.04. bis 05.05.24 ihr 100jähriges Bestehen. Die ersten Buden und Fahrgeschäfte wurden hier 1924 zunächst auf einem recht kleinen Areal an der Grenzstraße Ecke Uerdinger Straße aufgebaut – damals noch umzäunt. Wer hinein wollte, musste Eintritt zahlen. Das sorgte 1931 für einen heftigen Streit zwischen der Stadt und den Schaustellern. Die Buden- und Fahrgeschäfteinhaber begannen einen Streik. Die Stadt drohte mit der sofortigen Schließung der Kirmes und stellte ein Ultimatum.

Die Akten im Stadtarchiv Krefeld über die Organisation der Frühjahrs- und Herbstkirmes zeichnen sich Jahr für Jahr durch Routine aus. Formblätter, Kassierer- und Kontrolleurslisten, Standpläne, Einnahmen aus Eintrittsgeldern und Standgebühren sowie Anzeigentexte. Standardisiert warb die Stadt im Mai 1931 im „Komet“ für die Herbstkirmes: „Es werden nur einwandfreie und erstklassige Schaugeschäfte zugelassen.“ Zu lesen ist in den Analen, dass  man sich freuen konnte über eine Abnormitäten-Show mit den kleinsten und dicksten Menschen, exotischen Tieren, eine magische Attraktionenschau, ein original Kölner Hänneschen Theater sowie eine Rodelbahn, ein Hippodrom und ein „Tanzzelt mit großem Orchester“. Insgesamt 49 Schausteller aus Krefeld, Düsseldorf, Köln, Ruhrgebiet und Erfurt (Hygiene Museum) bauten dann im Herbst ihre Buden an der Ecke Grenzstraße/Uerdinger Straße auf.

Damit die Kirmes auch auf einem ordentlichen Platz stattfinden konnte, hatte die Stadt schon für die Frühjahrkirmes die Wege befestigen lassen. Der Krefelder Generalanzeiger vom 25. September 1931 berichtete darüber: „Mit nicht geringen Kosten hat man den Messeplatz am Sprödental einer gründlichen Erneuerung unterzogen, die es möglich macht, dass nunmehr einwandfreie Wege selbst bei schlechter Witterung vorhanden sind, was bisher zu manchen Unzuträglichkeiten Veranlassung gegeben hat. […] Es ist nicht daran zu zweifeln, dass trotz allen wirtschaftlichen Nöten, das Volksfest wieder einen lebhaften Zuspruch aus den Kreisen der Bevölkerung erhält, um so mehr, als man sich dort für wenig Geld einige angenehme Stunden verschaffen kann.“ Und dass trotz Eintritt, den die Besucher auch in der Weltwirtschaftskrise an allen Tagen bezahlen mussten. Die Einnahmen gingen an die Stadt, die vorab 50.000 Eintrittskarten für diese Herbstkirmes drucken ließ.

Dass die Zeiten auch für die Schausteller hart waren, lässt sich bereits an der Frühjahrskirmes vom 3. bis 11. Mai 1931 absehen: Für dieses Volksfest ließ die Stadt noch 100.000 Eintrittskarten drucken. Der Eintritt wurde von 20 auf 10 Reichspfennige gesenkt, Kinder unter 14 Jahren hatten freien Eintritt. In den Akten finden sich einige Bitten von Schaustellern, die Anzahlung für die Standgebühr erst später zu bezahlen. Und die große Attraktion auf der Sprödental-Kirmes, die Gropengießer Achterbahn, erteilte sogar eine Absage: Die Geschäftslage sei augenblicklich derartig schlecht, dass man nicht einmal die Frachtkosten von rund 4.000 Reichsmark einnehmen werde. Für eine Fläche blieben zudem noch Plätze frei, so dass zwei Krefelder Beamte eine Dienstreise nach Essen antraten, um Schausteller auf der dortigen Kirmes zu werben. Einen Ersatz für die Achterbahn fanden sie jedoch nicht.

Die Herbstkirmes 1931 begann wie vorgesehen. Doch am Mittwoch, 30. September, erschienen Schausteller bei der zuständigen Gewerbepolizei, um wegen der Stand- und Eintrittsgelder zu verhandeln. Es gebe aber nichts zu verhandeln, so Vertreter der Stadt, weil man schon im Frühjahr mit den Eintrittsgeldern von 20 auf zehn Pfennige entgegengekommen sei. Ein Stadtbeamter notierte, dass die Schausteller mit einer Versammlung auf dem Sprödentalplatz drohten. „Sie ließen hierbei deutlich durchblicken, dass unter Umständen die Geschäfte nicht aufgemacht würden“, steht in der Akte. Der Beamte ermahnte die Schausteller, dass für einen Streik der Mittwoch, der Kindertag, der wohl ungeeignetste Tag sei. Und der Beamte drohte seinerseits, dass die Stadt bei einem Streik das Volksfest absagen und den Verlust die Schausteller tragen müssten.

Die verhärteten Fronten ließen es an diesem Tag auf eine Eskalation ankommen. Eine erste Versammlung der Schausteller fand statt, und kein Geschäft öffnete um 14 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt schlenderten bereits rund 1.000Leute in den Gassen zwischen den Buden, und deren Stimmung verschlechterte sich von Minute zu Minute. Sie verlangten inzwischen ihr Eintrittsgeld zurück, wurden gegenüber städtischen Bediensteten auch handgreiflich. Da hatte „dat Föttchen Kirmes“, wie der Volksmund sagt. Die Zugänge ließ die Stadt nun sperren, vor denen sich immer mehr Menschen ansammelten. Dann erhielten die städtischen Vertreter auf dem Festplatz die Nachricht, den Schaustellern ein Ultimatum zu stellen: Binnen zehn Minuten sollten alle Geschäfte öffnen, sonst würde die Kirmes komplett abgebrochen.

„Meine Mitteilung ließ die Schausteller völlig kalt, sie lachten vielmehr darüber“, berichtete ein Beamter. Sie verlangten vielmehr eine 50prozentige Ermäßigung auf ihre Standgelder. Doch nach einer weiteren Versammlung der Kirmesleute kam endlich Bewegung in die Sache. Untereinander waren sich die Geschäftsinhaber längst nicht mehr einig, so dass die Fahrgeschäfte sowie Buden mittags um 16.30 Uhr doch geöffnet wurden. Der Streik war beendet, und rund 7.300 Besucher strömten auf den Platz, gut 75 Prozent davon Kinder. Der Krefelder General-Anzeiger berichtete über den Streik: Die Schausteller hätten für den Mittwochnachmittag den Verzicht auf Eintrittsgelder verlangt. Die Stadt wollte jedoch nicht auf den Eintrittsgroschen verzichten, „indem dass die angespannte Finanzlage der Stadt

gebieterlich den Eingang dieser Eintrittsgelder zur Erfüllung der unbedingt erforderlichen Aufgaben erfordere“, steht es in dem Zeitungsartikel. Und: „Später haben die Budenbesitzer den Laden wieder aufgemacht, weil sie doch was verdienen mussten.“

Das Thema „Eintrittsgeld“ verschwand allerdings nicht vom Tapet. Nach einem Schaustellerschreiben im Frühjahr 1933, seitens der Stadt ganz auf die Eintrittsgelder zu verzichten, wurde zumindest verfügt, dass nur noch am Sonntag, Mittwoch und Donnerstag zehn Reichspfennige Eintritt bezahlt werden mussten. Alle übrigen Tage seien frei. Seit wann genau kein Eintritt mehr verlangt wurde, ist noch offen. Im Mai 1938 übernahm allerdings die NS-Organisation „Kraft durch Freude“ die Ausgestaltung der Kirmes. Über Eintrittsgelder ist bei der Berichterstattung nun nichts mehr zu lesen.

Heute sind so 120 bis 130 Schausteller im Frühling und im Herbst mit ihren Fahrgeschäften, Losbuden und Gastronomiegeschäften anzutreffen. Zum Jubiläum lockt die Frühjahrskirmes von Freitag, 26. April, bis Sonntag, 5. Mai, wie eingangs erwähnt mit Fahrgeschäften und Attraktionen auf den Sprödentalplatz. Geschichten über die Sprödental-Kirmes, Fotos und aktuelle Informationen stehen ab sofort mit dem Link www.krefeld.de/100jahresproedentalkirmes. Mehr über den Streik der Schausteller steht im Krefelder Jahrbuch „Die Heimat“, Nummer 85 (2014).
Quelle: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, von wo auch die Fotos stammen

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