„Frau Werner kann hier bleiben.“ Mit diesem Satz verhinderte Anna Tervoort, dass eine ihr völlig unbekannten Krefelderin das Leben verlor. Denn Johanna Werner war Jüdin und sollte deportiert werden. Anna Tervoort versteckt die Frau während des Zweiten Weltkriegs auf ihrem Bauernhof in Traar vor den Schergen der Nationalsozialisten. Und es gelingt tatsächlich, Johanna Werner und ihre Familie überlebte.
Für ihre mutiges Handeln, dass ihr eigenes Leben aufs Spiel setzte, ehrte die Gedenkstätte Yad Vashem in Israel 1997 Anna Tervoort (1909-2003) als „Gerechte unter den Völkern“. Keinem anderen Einwohner Krefelds wurde diese Ehre zuteil und doch haben auch andere Krefelder geholfen, dass diese Geschichte glücklich endete.
Nun erinnert ein Platz in der Innenstadt an die stille Heldin, die niemals Aufsehen um ihre Tat machte, wie viele andere, auch in Krefeld, die sich nicht dem Rassenwahn unterwarfen.
„Anna Tervoorts Leben zeigt, dass es sich lohnt, auf das eigene Gewissen zu hören, Menschlichkeit und Menschenwürde gerade in unmenschlichen Zeiten zu ihrem Recht zu verhelfen. Jede und jeder von uns kann das tun – niemand ist zum Zuschauen verdammt“, wird Oberbürgermeister Frank Meyer zitiert, der den Vorgang kommentiert.
An dem bislang namenslosen Ort an der Stephanstraße/Ecke Wiedenhofstraße versammelten sich rund 70 Menschen, um der Benennung beizuwohnen. Zeitgleichwurde dort auch der erste „Frauen-Ort“ in Krefeld und der bisher einzige am linken Niederrhein eingerichtet. Das Projekt des Frauenrats NRW möchte mit „Frauen-Orte“ das Interesse auf besondere historische Frauenpersönlichkeiten im öffentlichen Raum richten – hier auf Anna Tervoort.
Bis Ende 2025 sollen 50 Frauen-Orte in Nordrhein-Westfalenauf besondere Frauen-Biografie aufmerksam machen. Der Vorschlag des Zonta-Clubs Krefeld am Rhein wurde unter den ersten zehn Bewerbungen angenommen.
Das mutige Handeln von Anna Tervoort war für die Traarer Bäuerin stets mit Lebensgefahr verbunden. Trotz aller Bemühungen wurde ihr Geheimnis eines Tages entdeckt. „Geben Sie mir ein halbes Schwein, oder ich verrate, dass Sie eine Jüdin verstecken“, versuchte ein „Volksgenosse“ die Bäuerin zu erpressen – ohne Erfolg. Selbst der „Besuch“ von Gestapo-Mitarbeitern schreckte Tervoort nicht ab – eine Schlüsselsituation, die auch in dem Ein-Personen-Stück des Kresch-Theaters, das die Geschichte behandelt, beeindruckend dargestellt wird.
Johanna Werner musste den Hof nach diesen Ereignissen verlassen. Zu unsicher war ihr Versteck geworden. Nach einem Bombenangriff auf Krefeld Anfang Januar 1945 lebte sie im Bunker am Hauptbahnhof. Dort herrschte Chaos, und keiner kontrollierte mehr. Zusammen mit ihrem Mann und den Kindern erlebte sie, wie US-Militär Ende Februar, Anfang März des Jahres 1945 Krefeld besetzte und dem Rassenwahn der Nationalsozialisten ein Ende setzte.
Anna Tervoort und Johanna Werner trafen sich nach dem Zweiten Weltkrieg wieder und blieben freundschaftlich verbunden. Erst im Rahmen eines Forschungsprojektes in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts zu sogenannte Mischehen im Dritten Reich berichtete die Tochter von Johanna Werner von der Rettung ihrer Mutter durch Anna Tervoort. Diese scheint ihr Handeln als selbstverständlich empfunden zu haben. „Anna Tervoort hat zeitlebens keine große Sache daraus gemacht, dass sie geholfen hat“, sagt Sandra Franz, Historikerin und Leiterin der NSDokumentationsstelle. „Ich hab’ halt einfach gemacht“, hat sie später bescheiden erzählt.
Wegen ihres selbstlosen Handelns wurde sie . wie eingangs erwähnt – in der Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt – eine von 651 Deutschen, deren Bekanntester sicherlich der Unternehmer Oskar Schindler (1908-1974) ist.
„Ein berühmter Satz aus dem Talmud beschreibt am besten, was Anna Tervoort vor rund 80 Jahren getan hat: „Wer ein Menschenleben rettet, dem wird es angerechnet, als würde er die ganze Welt retten‘“, zitiert ihn Oberbürgermeister Frank Meyer.