Wie lebendig der Niederrhein im Mittelalter war, lässt sich aus der Geschichte ablesen, selbst heute unbedeutende Orte waren Zentren der Macht, die von der katholischen Kirche und dem Adel ausging. So ein heute eher beschulicher Ort ist Wetten südöstlich von Kevelaer. Er hat rund 2.600 Einwohner. Erwähnt wurde er erstmals 1154 in einer Urkunde. Im Ortszentrum steht die katholische Kirche St. Petrus, die so wie sie heute ist, aus dem 15. Jahrhundert stammt. In dem Sakralbau wurden Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts Fresken aus dem 15. Jahrhundert freigelegt, ein Altar- oder Tafelbildfragment erregte die Aufmerksamkeit und es kam in den Bestand der Kunstmuseen.

Jetzt kehrte das Kunstwerk nach zweijähriger Restaurierungsphase an seinen ursprünglichen Ort zurück. Wie und warum es wohl zum Ende des Spätmittelalters nach Wetten kam, was sich ursprünglich links und rechts an den Bildern anschloss, bleibt der Spekulation überlassen.
Das Gesamtbild zeigt „die Heilige Sippe“. Das auf Eichenholz gemalte Bild wurde in der Werkstatt des Malers Derick Baegert (um 1440 bis um 1515) in Wesel angefertigt. Diese steht für außergewöhnliche Spitzenqualität. Das über 500 Jahre alte Fragment wird Derick Baegert direkt zugeschrieben – er konnte übrigens als reale Person erst in den 1930er-Jahren identifiziert werden. Dass das Gemälde die Jahrhunderte überhaupt überstand, ist einem Zufall geschuldet. Wie es dazu kam offenbart sich aus einem Hinweis, der die Pfarrchronik von St. Petrus enthät. Das Fragment überdauerte die Jahrhunderte als Rückwand eines Bücherschrankes. Der stand im hiesigen Pastorat. Dieser profane Verwendungszweck schützte es wohl vor einer Zerstörung. „Der Schrank wurde 1917 beim Verkauf des Nachlasses von einem Althändler für 200 Mark erworben und das Bild 1920 von ihm für 3.000 Mark an das Museum in Crefeld verkauft“, ist durch die Chronik überliefert. Das ist fast zutreffend, denn der Krefelder Fabrikant Rudolf Oetker erwarb zunächst das Werk und schenkte es 1918 dem Kaiser-Wilhelm-Museum. Das Motiv der Heiligen Sippe stellt die Genealogie der Familie Jesu dar. Eine vergleichbare Arbeit von Derick Baegert findet sich heute in der Dortmunder Propsteikirche.
Die Kölner Werkstatt „Kunstgriff“ führte die Restaurierungsmaßnahmen an dem Tafelfragment durch. Diese reichten von der konservatorischen Bestandssicherung über die Abnahme des vergilbten Firnisses und alter Übermalungen bis zur farblichen und strukturellen Integration der Fehlstellen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass größere Restaurierungsprojekte extern vergeben werden, weil sie oft viel Zeit in Anspruch nehmen und spezialisierte Expertise erfordern. So verhielt es sich auch bei der „Heiligen Sippe“. Linda Schäfer und Dorothee Fobes von „Kunstgriff“ bearbeiteten das Tafelfragment in etwa 800 Arbeitsstunden. Das Bild aus dem Bestand der Kunstmuseen Krefeld konnte so mit einem 80-prozentigen Fördermittelanteil des Landes Nordrhein-Westfalen und Die Kunstmuseen sind eine Kultureinrichtung der Stadt Krefeld. Der Eintritt für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist frei. Weitere Informationen stehen unter www.kunstmuseenkrefeld.de. Museumsetat (20 Prozent) restauriert werden. Die Kosten betrugen rund 56.500 Euro.
Ebenso spannend wie die Herkunftsgeschichte mutet die Restaurierung des Kunstwerkes an: Das ist nun ausführlich in einem neu gestalteten Raum der „Sammlung in Bewegung“ im Kaiser-Wilhelm-Museum am Joseph-Beuys-Platz zu sehen. Sebastian Köhler, Restaurator an den Kunstmuseen Krefeld, kuratiert diese Präsentation. Dort wird dem Besucher ein „Blick hinter die Kulissen“ ermöglicht. Die anschauliche Dokumentation über die Restaurierung des Gemäldes vermittelt zahlreiche Informationen zum Restaurierungsprozess. Die Vorher-Nachher-Bilder sind besonders eindrucksvoll, da sie die Veränderungen und die Sorgfalt zeigen, die in die Restaurierung geflossen sind. Etwa zehn Prozent des Bildes sind durch Schäden und Schadstellen verlorengegangen. Die Vitrine mit den „Werkzeugen“ gibt einen Einblick in die Techniken und Materialien, die Restauratoren verwenden.
Quelle: Stadt Krefeld. Presse und Kommunikation