Mädchen ersteigern verboten

Das Fastnachtstreiben am Niederrhein und in Krefeld hat eine lange Tradition. Der Karneval heutiger Tage hat mit dem, wie er an den Wurzeln, im 14. Jahrhundert,  gefeiert wird, aber nicht mehr viel gemein – bis auf den Spaß, den er machen kann.

Aus der Chronik ist ersichtlich: Im Jahre 1381 gründete Graf Adolf von Kleve eine erste Narrengesellschaft, einen „Geckenorden“. Das hatte sich der Graf aus der Normandie und Brabant abgeschaut. Seine Mutter ,Gräfin Mechthilde, lebte auf Burg Linn und übernahm den Fastnachtsbrauch ihres Sohnes. Dieses jecke Treiben fand auch beim Volk großen Anklang, allerdings feierten die Leute wilder als die bei Hofe.

1952, als Teile der Stadt noch in Trümmern lagen

Die Einstellung der Herrschenden zum Karnevalstreiben änderte sich über die Jahrhunderte, weil das Volk  – wie sie meinten – es einfach zu toll trieb an den Fastnachtstagen. Bereits im 15. Jahrhundert bemühte sich die Obrigkeit durch Polizeiverordnungen das Feiern einzuschränken. In  einer Polizeiverordnung aus dem 16. Jahrhundert steht: „Item kein vastelabensspiel sollen überall gehalten werden, und sonderlich daß Umblauffen der jungesellen mit pfeiffen, trommeln und basanern zu jagen oder etwaß zo holen, verboten uff eine poen jede persohn, so dabeys befunden von 5 ggld.“

Es folgten noch andere Polizeiverordnungen, Verbote und Einschränkungen, die in den nächsten Jahrhunderten von Preußen, Oraniern oder Franzosen in Krefeld bekannt gemacht wurden. Dabei richtete sich das Augenmerk der jeweils herrschenden Fraktion immer wieder  – was dann Verbote nach sich zog – auf das Ersteigern von Mädchen, das Herumziehen mit Trommeln und die Fastnachtsspiele. Das wollte die Obrigkeit nicht. Nur – die stete Wiederholung bewies indes nur ihre Unwirksamkeit.

Einquartierte Soldaten und die einheimische Bevölkerung kümmerten sich kaum um diese Reglements, obwohl hohe Strafen angedroht wurden. In ihrer ersten Besatzungsphase von 1759 bis 1763 feierten die Franzosen in Krefeld von Jahr zu Jahr immer heftiger. Drei Soldaten übertrieben es 1762 so, dass sie an den Folgen ihrer Ausschweifungen verstarben.

Wieder unter preußischer Regentschaft – so ab 1817 – konzentrierte sich das Fastnachtstreiben auf die Gasthäuser.

Der Karneval – wie er heute gefeiert wird – verbreitete sich erst ab 1823 von Köln aus. Mit zu den ältesten Karnevalsgesellschaften im Rheinland gehören die beiden ersten Krefelder Gesellschaften, das „Carnevals-Geniecorps der Alliance“ und „Parlament“, beide von 1828. Doch wer sich zu dieser Zeit in Krefeld maskieren wollte, musste zuerst eine Tageskarte von der Stadt erwerben, wenn er nicht bestraft werden wollte.

Den richtigen Durchbruch erlebte der Karneval 1873 in der Seidenstadt. Ein Prinz wurde proklamiert und ein großer Rosenmontagszug wälzte sich durch die Straßen. Eine Krefelder Zeitung erkor angesichts des närrischen Lindwurms die Heimatstadt zur rheinischen Narrenhochburg – vor Köln. Es blieb jedoch der erste und vorerst einzige Zug. Erst 1897 standen die Jecken wieder am Straßenrand. Deshalb schielte man 1875 neidisch nach Uerdingen, wo man einen großen Zug organisiert hatte. Anstelle dessen fanden in Krefeld so genannte Kappenfahrten statt und Sitzungen erfreuten sich eines großen Zuspruchs.

Für einen ersten Skandal im Karneval der Samt- und Seidenstadt sorgte 1866 ein Krefelder Gericht, das ein Karnevalslied verbot.

Mit 110 Sitzungen und Bällen entpuppte sich das erste Jahr des 20. Jahrhunderts als eine außergewöhnlich erfolgreiche Session. Doch der preußische Staat gönnte den rheinischen Narren nicht ihre Lust am Feiern. So musste 1902 eine ,,Maskensteuer“ entrichtet werden,  und das Werfen von Konfetti und Luftschlangen wurde mit 30 Mark geahndet.

Nach dem Ersten Weltkrieg ereilte die Narren ein generelles Karnevals-Verbot. Doch die Krefelder schlugen der Bürokratie ein Schnippchen und feierten munter in den Sälen ihre „Ratssitzungen“. Die Verbote sollten bis 1925 andauern, und endgültig wurden alle Einschränkungen erst 1927 aufgehoben. Bei solchen Nachrichten hätte man vermuten können, dass alle ein besonders fröhliches Karnevalsfest 1927 feiern würden. Doch mit der Proklamation von zwei Prinzen entzündete sich ein Riesenkrach unter den heimischen Karnevalsgesellschaften. Sie konnten sich schlichtweg nicht auf einen Prinzen einigen. Und so wurde einer im Hotel Krefelder Hof, der andere in der Stadthalle proklamiert. Am Ende der Session reichten sich die beiden Prinzen immerhin zur Versöhnung die Hand – nach längeren Verhandlungen. Im folgenden Jahr zog nach 14 Jahren mal wieder ein Zug am Rosenmontag durch die Stadt.

Mit den Nationalsozialisten, die sich in Berlin die Macht erschlichen, erlebte der Krefelder Karneval einen zweifelhaften Aufschwung, Alle „Volksgenossen“ sollten für dieses Volksfest gewonnen werden, und 1939 gab es den letzten Rosenmontagszug vor dem Krieg.

Ende 1946 reorganisierten sich die Krefelder Narren, und den ersten Nachkriegsprinzen präsentierte man 1949. „Helau!“, schrien die Jecken am Straßenrand wieder 1950.

1986, als Uerdingen eine Fußballhochburg war

Der Zug konnte sich fünf Jahre nach dem Krieg durchaus sehen lassen. Von diesem existieren sogar bewegte Bilder: Im Sommer 2012 wurden drei schwarz-weiß 16-Millimeter-Stummfilme im Presseamt entdeckt. Die Blechdosen sind mit dem Vermerk „Rosenmontagszug 1950“ beschriftet. Ein ausführlicher Bericht steht im Krefelder Jahrbuch „Die Heimat“ (2013).

Nach diesem Zug mussten sich die Narren noch mal neun Jahre gedulden, bis dann sich dann der „Zoch“ ab 1959 wieder relativ regelmäßig durch die Stadt schlängelte, so wie er das auch in diesem Jahr tut.
Quelle: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, von wo auch die Fotos sind

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